NMR-spektroskopische Charakterisierung der Konformere der Kalziumbindungsdomäne des Kationenkanals Polycystin-2 bei normalem und hohen hydrostatischen Drücken sowie Untersuchung seiner Interaktion mit dem Formin mDia1

2019 
Der nichtselektive Kationenkanal Polycystin-2 (PC2) ist das Genprodukt von PKD2, einem von zwei Genen, deren Mutation die Krankheit ADPKD, die am weitesten verbreitete monogenetische Erbkrankheit mit Todesfolge, bedingt. Der zytosolische C-Terminus von PC2 enthalt zwei EF-Hand-Motive und vollzieht eine Konformationsanderung bei Kalziumbindung. Er interagiert auserdem mit einer Reihe von Proteinen, die an der Regulation der Kanalaktivitat entscheidend beteiligt sind. Vieles deutet darauf hin, dass die verschiedenen Konformere des C-Terminus sowohl eine entscheidende Rolle bei der Kalziumbindung als auch der Interaktion von PC2 mit Zielproteinen spielen. Ziel dieser Arbeit war es, mit NMR-spektroskopischen Methoden verschiedene Konformere des C-Terminus von PC2 zu identifizieren und Einblick in ihre Funktion zu gewinnen. Aufgenommene 1H-1H-TOCSY-, 1H-1H-NOESY- und 1D-1H-NOESY-Spektren zeigen zwei Zustande fur PC2(680-796) in einem Verhaltnis von ca. 60 (Zustand A) : 40 (Zustand B) an. Zustand B von PC2(680-796) weist mit einem KD-Wert im Bereich von 10 μM eine deutlich hohere Affinitat fur Kalziumionen auf als Zustand A, bei dem die Kalziumaffinitat mit einem KD-Wert von ca. 137 μM um mindestens das zehnfache herabgesetzt ist. Es wurde auserdem ein dritter unbekannter kalziumabhangiger Prozess mit einem KD-Wert von ungefahr 612 μM identifiziert, der aber auch auf einen Ionenstarkeeffekt zuruckzufuhren sein konnte. Die durchgefuhrten Diffusionsmessungen zeigen fur das Fragment PC2(680-796) mit 32048 ± 2527 g/mol eine scheinbare Molekulmasse etwas oberhalb eines Dimers an. Sehr wahrscheinlich stellt dieser Wert die Mischung eines Gleichgewichts von mono-, di- und tetrameren Zustanden von PC2(680-796) dar. Ein Strukturhomologieabgleich mit dem bekannten EF-Hand-Protein Calmodulin zeigte, dass die verwendeten Markersignale nicht in der potentiellen Interaktionsflache eines PC2-Dimers liegen. Daher ist zu vermuten, dass das 60 : 40 Verhaltnis kein Polymergleichgewicht widerspiegelt. Fragmente, denen der α-helikale Bereich vor der atypischen EF-Hand 1 fehlt, zeigten in fruheren Studien bereits relativ geringe Kalziumaffinitaten. Das Fragment PC2(680-796) enthalt eben diesen α-helikalen Bereich vor EF-Hand 1. Das lasst den Schluss zu, dass nur bei 40 % (Zustand B) von PC2(680-796) der α-helikale Bereich und damit wahrscheinlich EF-Hand 1 korrekt ausgebildet ist, was in hohen Affinitaten fur Kalziumionen resultiert. Die korrekte Ausbildung dieses Bereichs kann von vielen Faktoren abhangen. Dies stellt auch einen moglichen Regulationsmechanismus im Hinblick auf die Kalziumaffinitat des C-Terminus von PC2 dar. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit war es, mittels NMR-spektroskopischer Methoden die Interaktion des zytosolischen C-Terminus von PC2 mit dem Formin mDia1 zu untersuchen und die Binderegionen auf der 3D-Struktur zu definieren. Die Erkenntnisse aus den Interaktionsstudien sollten zu einem besseren Verstandnis der Verbindungen von PC2 zum Aktinzytoskelett und der Steuerung der Kanalaktivitat beitragen und dadurch auch einen moglichen Mechanismus der Zystenbildung aufzeigen. Fur die Interaktionsstudien wurden die Fragmente PC2(680-796) und PC2(717-792) gewahlt, von denen nur ersteres die α-helikalen Bereiche vor der atypischen EF-Hand 1 aufweist. Fur PC2(680-796) wurde das bereits aus den Kalziumexperimenten bekannte ungefahre 60 (Zustand A) : 40 (Zustand B)-Verhaltnis in den HSQC-Spektren bestatigt. Bei Zugabe von mDia1 zeigen Aminosauren des Zustands B von PC2(680-796) die starksten Anderungen. Es wurde ein mittlerer KD-Wert von 43 ± 20 μM fur die Interaktion des Zustands B mit mDia1 errechnet. Zustand A besitzt eine deutlich schwachere Affinitat fur mDia1. Die Ergebnisse deuten auf keine Unterschiede bei den Interaktionsflachen fur Zustand A bzw. B mit dem Formin mDia1 hin. Fur PC2(717-792) wurde nur ein Zustand und eine schwache Affinitat fur mDia1 beobachtet. Auch dieses Fragment zeigt Interaktionsflachen im Bereich der EF-Hande und im Linker dazwischen. Falls, wie bereits vermutet, nur bei 40 % (Zustand B) von PC2(680-796) der α-helikale Bereich und damit wahrscheinlich EF-Hand 1 korrekt ausgebildet ist, ware damit eine Bedingung fur die mDia1-Interaktion identifiziert. Dass fur Aminosauren im α-helikalen Bereich starke Effekte vor allem der Zustande B beobachtet wurden, unterstutzt diese These und deutet eventuell sogar auf eine direkte Beteiligung dieses Bereichs bei der Interaktion mit mDia1 hin. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit sollten die verschiedenen Konformere des zytosolischen C-Terminus von PC2 anhand des Fragments PC2(717-792) identifiziert werden. Proteine liegen normalerweise in konformationellen Gleichgewichten vor. Die Populationen verschiedener Konformere des Proteins im schnellen Austausch werden im thermischen Gleichgewicht von der Differenz der freien Enthalpien Δ????1????0 bestimmt. Durch die Anwendung von Hochdruck konnen Konformere, die unter Normaldruck nur schwach populiert sind, stabilisiert und sichtbar gemacht werden. Es wurden Spektren fur PC2(717-792) bei Druckstufen von 1 MPa bis zu 250 MPa aufgenommen. Anhand der 1H- und 15N-chemischen Verschiebungsanderungen wurden Δ????0 und Δ????0, die freien Enthalpien bei Normaldruck bzw. die partiellen molaren Volumen bei Normaldruck, fur die zwei Ubergange im 3-Zustandsmodell im schnellen Austausch errechnet. Es ergibt sich fur den Ubergang von Zustand 1 zu 2 ein Δ????120 von -3735 ± 42 J/mol und ein Δ????120 von -53 ± 18,28 ml/mol. Fur den Ubergang von Zustand 1 zu 3 ergibt sich ein Δ????130 von 9663 ± 25 J/mol und ein Δ????130 von -89,83 ± 0,56 ml/mol. Die freien Enthalpien Δ????0 bestimmen die Populationsverhaltnisse der Zustande von PC2(717-792) und zeigen damit die relativen Konzentrationen der einzelnen Zustande des Proteins bei Normaldruck an. Aufgrund des Prinzips des kleinsten Zwangs verschiebt sich bei Druckanwendung die Population immer in Richtung des Zustands mit dem kleineren partiellen molaren Volumen. Unter Normaldruck zeigen die Diffusionsmessungen mit 16725 ± 998 g/mol die scheinbare Molekulmasse eines Dimers an, wie es bereits von dem Fragment PC2(680-796) unter diesen Bedingungen bekannt ist. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich hinter diesem Messwert eine Mischung aus Mono-, Di- und Tetrameren verbirgt. Im 3-Zustandsmodell von PC2(717-792) stellt bei Normaldruck Zustand 1 (20 %) wahrscheinlich das Tetramer, Zustand 2 (80 %) das Dimer und Zustand 3 (< 1%) das Monomer dar, wobei mit steigendem Druck der Tetrameranteil verschwindet und der Monomeranteil zunimmt. Die Kalziumfreisetzung scheint bei 160 MPa abgeschlossen zu sein. Die ermittelten Druckkoeffizienten B2* der kombinierten chemischen Verschiebungsanderungen zeigen starke konformationelle Effekte in den beiden C-terminalen Helices 3 und 4 (kanonische EF-Hand) an, wahrend im Bereich der beiden N-terminalen Helices 1 und 2 (atypische EF-Hand) nur schwache Effekte beobachtet wurden. Dies spricht dafur, dass beim Fragment PC2(717-792), dem der α-helikale Bereich vor der atypischen EF-Hand 1 fehlt, nur die kanonische EF-Hand 2 Kalzium binden kann, da sonst durch die Kalziumfreisetzung Effekte bei EF-Hand 1 zu beobachten gewesen waren. Fur verkurzte Fragmente ohne α-helikalen Bereich vor EF-Hand 1 wurden bereits verringerte Kalziumaffinitaten gezeigt. Es deutet somit vieles darauf hin, dass die korrekte Ausbildung der atypischen EF-Hand 1 fur die Interaktion mit Kalziumionen und Proteinen wie dem Formin mDia1 essentiell ist. Bei der Ausbildung von EF-Hand 1 scheint der N-terminale α-helikale Bereich eine wichtige Rolle zu spielen.
    • Correction
    • Source
    • Cite
    • Save
    • Machine Reading By IdeaReader
    0
    References
    0
    Citations
    NaN
    KQI
    []