Entwicklung eines computergestützten Entscheidungshilfemodells zur Prävention von Erbsenwicklerschäden in Körnerleguminosen (Verbundvorhaben)

2020 
Das Verbundprojekt mit den funf Partnern Universitat Kassel (Hessen), LLG (Sachsen-Anhalt), Gaa e.V. (Sachsen) und der ZEPP zusammen mit ISIP e.V. (Reinland-Pfalz), zielte auf die Entwicklung eines wetterbasierten Entscheidungshilfesystems (EHS) zur integrierten Pravention von Frasschaden durch Erbsenwickler (Cydia nigricana) in Korner- und Gemuseerbsen (Pisum sativum) ab. Den Untersuchungsgegenstand bildete die Gewinnung empirischer, georeferenzierter Basisdaten zur phanologischen Entwicklung von Erbsenwickler und Erbse, sowie die Analyse des raumlich-zeitlichen Befallsgeschehens in drei Modellregionen von ca. 30 km Durchmesser in Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt in den Jahren 2015-2019. Zunachst wurde allen Praxisflachen einer Modellregion mit Winterkorner-, Sommerkorner- und Gemuseerbsen der Saatzeitpunkt und schlaggenau interpolierte Wetterdaten zugeordnet. Uber die gesamte Vegetationsperiode wurden dann Erbsen-BBCH-Stadien, Kulturform, Pheromonfallenfange und prozentualer Kornbefall differenziert nach Larvenstadium, aufgenommen. Erganzend wurden Klimakammer-Versuche zur temperaturabhangigen „Populationsdynamik Erbsenwickler“ mit eingewinterten Erbsenwicklerkokons bei variierten Temperatur- und Lichtregimen durchgefuhrt. Die Eckdaten umfassten Entwicklungsnullpunkt, tagliche Entwicklungsrate, Falterschlupf, Eiablage, L1-Larvenschlupf und Larvenentwicklung. Weiterhin konnten unter kontrollierten Klimabedingungen ein univoltiner Flugverlauf abgesichert und Herkunftsunterschiede sowohl nach Region als auch nach Erbsenkulturform (Winterkorner-, Sommerkornererbse) ausgeschlossen werden, was fur generalisierbare Befallsprognosen entscheidend ist. Auf Grundlage dieser Daten wurde das modular aufgebaute EHS „CYDNIGPRO“ (Cydia nigricana-Prognose) entwickelt. Dessen zwei Sub-Modelle „Entwicklung“ und „Migration“ zielen auf zwei Schwachstellen im Lebenszyklus des Zielschadlings ab: Das „Sub-Modell Entwicklung“ setzt an der zeitlichen Synchronisation des Schadlings mit seiner Wirtspflanze an. Die prognoserelevanten Entwicklungsstadien sind Blute als Voraussetzung fur die Fernorientierung der Falter und Hulsenbildung fur den Samenfras der Larven. Mit den auf der Internetplattform isip.de hinterlegten phanologischen Basisdaten, konnten schlaggenaue Simulationen der Ontogenese (SIMONTO) Erbse getrennt fur Korner- und Gemuseerbsen etabliert werden, wobei bei Gemuseerbsen zusatzlich zwischen Fruh- und Spatsaaten zu differenzieren war. Aufgrund der zu geringen Anzahl von Wintererbsenschlagen, die zudem auf die Modellregion Hessen beschrankt waren, konnte fur Winterkornererbsen noch kein Modell erstellt werden. Uber die Eingabe der geographischen Koordinaten, des Aussaatdatums und der Kulturform berechnete der ISIP-Output in ersten Anwendungen bereits > 78% korrekte BBCH-Stadienverlaufe. Die darauf aufbauende Befallsprognose koppelt die schlagspezifischen Daten zur Pflanzenphanologie mit den hinterlegten Daten zur Populationsdyamik des Erbsenwicklers und ermoglicht nun wetterbasierte Vorhersagen zum Flugbeginn und Larvenauftreten, die im ISIP-Output „Befallsprognose“ einen dreitagigen Vorhersagezeitraum haben. Anwender konnen damit Wahrscheinlichkeiten einschatzen, ob und ab wann Befallsflug und Larvenfras einsetzen und in welchem Zeitfenster schlagspezifisch optimierte Insektizidmasnahmen sinnvoll waren. Der zweite Ansatzpunkt nutzt mit dem „Sub-Modell Migration“ die schlaggenaue Kokon-Uberwinterung im Boden von Erbsen-Vorjahresflachen. Die im Folgejahr schlupfenden Falter sind dadurch gezwungen, aktuelle Erbsenschlage uber unterschiedlich weite Strecken anzufliegen. Als Basisdaten fur die raumliche Befallsprognose wurden der jeweilige Flachenabstand zur nachstgelegenen Vorjahresflache (MD) als „Geberflache“ und korrespondierende Befallswerte der aktuellen „Empfangerflache“ erarbeitet. Die Auswertung der MD-Befallskorrelationen ergaben insgesamt, dass Starkbefall durchgehend mit geringen MDs < 500 assoziiert war. Der Befall nahm uber allen Modellregionen und Kulturformen exponentiell ab, je weiter die Vorjahresflachen entfernt lagen. Insgesamt lag der Median aller Flachenabstande des Projektzeitraums zwischen 204 und 611 m. Die maximal realisierten Entfernungen zum Vorjahresschlag waren fur das Anbaumosaik Hessen 3,9 km, bzw. in Sachsen 4,8 km und in Sachsen-Anhalt 6,1 km. Um die empirischen Distanz-Befallskorrelationen anhand von Risikokarten zu visualisieren, wurden als Naherung Pufferzonen mit drei gestuften Radien von 1000 m, 1500 m und 2000 m (ab dem Vorjahresschlag) gebildet. Die Zuteilung eines Wichtungsfaktors je Pufferzone kategorisierte den kontinuierlichen Befallsruckgang in drei von innen nach ausen abnehmenden Risikozonen, die in den Kartenausschnitten als rot, orange und gelbe Risikobereiche angezeigt werden. Diese Entscheidungshilfe soll es integriert und okologisch wirtschaftenden Anwendern ermoglichen, noch vor der Aussaat lokale Befallsgradienten und Schwachbefallslagen besser einzuschatzen, um gegebenenfalls bereits uber die Flachenwahl Insektizidmasnahmen einzusparen, bzw. im Idealfall ganz umgehen zu konnen. Diese dreistufigen Distanzbereiche gelten hauptsachlich fur die Modellregionen mit ausreifenden Kornererbsen (Sommer- und Wintererbse), sowie Gemuseerbsenvermehrungen (Sachsen-Anhalt) als Anbauschwerpunkt. In Sachsen, mit vorwiegendem Anbau von Gemuseerbsen fur die Humanernahrung, wurde den Risikokarten aufgrund der abweichenden Rahmenbedingungen bezuglich Grunernte, Befallsdruck und Qualitatstoleranz lediglich eine innere 500 m Pufferzone fur fruhe Saattermine zugeteilt. Fur erste prototypische Anwendungen des raumlichen Planungstools sind als Ubergangslosung noch handische Eingaben der Vorjahresschlage und der aktuell geplanten Flachen vorgesehen. In einer weiteren Ausbaustufe fur die nachsten Jahre ist geplant, die Lage der Erbsenvorjahresschlage durch satellitenbasierte Fernerkundung automatisiert bereitzustellen. Die erarbeiteten EHS-Teilmodule „CYDNIGPRO“ stehen demnachst nach Abschluss der Implementierung auf der Internetplattform isip.de fur ausgewahlte Berater zur Verfugung. Nach einer Uberprufungsphase kann das EHS dann deutschlandweit von allen Beratern und Landwirten genutzt werden.
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