Berlin, 5. bis 7. November 1998: Musikkultur der Weimarer Republik

2016 
Die 1995 begonnene Zusammenarbeit zwischen dem Frankfurter Paul-Hindemith-Institut und der Hochschule der Kunste Berlin fand 1998 eine Fortsetzung. Nach einer Tagung uber Hindemith anlaslich seines 100. Geburtstages luden Wolfgang Rathert, Dietmar Schenk und Giselher Schubert diesmal zum Thema „Musikkultur der Weimarer Republik" ein. Der weit gefasten inhaltlichen Konzeption trug die Wahl der Referenten Rechnung. Der Eroffnungsvortrag „Waschrituale eine Bewegungsform der Kunste in der Weimarer Republik" des Germanisten Helmuth Lethen (Rostock) stand ganz in der Tradition von Klaus Theweleits Mannerphantasien. Martin Thrun diskutierte die Erschutterungen der Kunst in kritischer Auseinandersetzung mit den 1990 publizierten Rites of Spring des kanadischen Historikers Modris Eksteins; Dietmar Schenk entwarf ein breites Szenario der Jugendbewegung, aus der in der Regel unter Musikologen nur ein kleines Segment bekannt ist, und Andreas Huneke stellte das Thema „Musik im Bauhaus" aus kunsthistorischer Perspektive dar. Das Spannungsfeld alter und neuer musikalischer Konzepte zwischen „Tonkunst" und „Komposition" steckten die Vortrage von Walter Werbeck, Michael Heinemann und Wolf gang Rathert ab. Zusammenhange zwischen Musik und Politik waren Gegenstand der Referate von Giselher Schubert (Fortschrittskonzepte), Andreas Eichhorn (Musikkritik), Susanne Fontaine (Kestenbergs Musikpolitik) und Susanne Schaal (Situation um 1930). Die Abhangigkeit kunstlerischer Innovationen von institutionellen Strukturen zeigte Susanne Rode-Breymann an der Gegenuberstellung der Opernspielplane in Wien und Berlin; Wolfgang Lessing diskutierte das Problem der „Gebrauchsmusik", und Martha Brech zeigte Ansatze zu einer Radiokunst, die auf die spezifischen Moglichkeiten des neuen Mediums „Rundfunk" reagierte. Selten berucksichtigt, da musikwissenschaftlich nicht immer einfach zu handhaben, waren die Themen von Volker Scherliess (uber Tendenzen der musikalischen Interpretation), Arne Langer (uber das Amerika-Bild in der Oper) und Patricia Stockemann (uber neue Tanzkonzepte der Zwanziger Jahre). Das gerade solche Themen wie Tanz oder Rundfunkmusik einbezogen wurden, lies ein sehr differenziertes, lebendiges Bild der Epoche entstehen. Gleichsam „auf die Fuse" gestellt wurden die theoretischen Uberlegungen des Symposions durch das Rahmenprogramm an der Hochschule der Kunste: einen Gesprachsabend mit Oskar Sala, einen Kammermusikabend mit Ensemblewerken und einen Opernabend mit Kurzopern von Ernst Toch, Darius Milhaud und Hindemith. Gerade dieser kunstlerisch sehr gelungene Abend mit drei abgelegenen Werken zeigte unbekannte Seiten der Musik der Zwanziger Jahre in Deutschland und machte deutlich, warum die Beschaftigung mit den vierzehn Jahren zwischen den Kriegen immer wieder lohnend ist.
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