Untersuchung der lokalen und langreichweitigen Wasserdynamik in eingeschränkten Geometrien
2020
Trotz langjahriger intensiver Forschung an Wasser sind nach wie vor viele physikalische Eigenschaften dieser ausergewohnlichen Flussigkeit unverstanden. Fur Wasser
werden zahlreiche Anomalien hinsichtlich thermodynamischer und dynamischer Eigenschaften beobachtet, welche beim Herunterkuhlen besonders deutlich hervortreten. Hinweise fur die Ursachen dieser Anomalien werden im tief unterkuhlten Temperaturbereich zwischen 150 K und 235 K, dem sogenannten „no man’s land“ vermutet,
in welchem Wasser stets im kristallinen Zustand vorliegt. Aus diesem Grund sind experimentelle Untersuchungen in diesem Bereich von fundamentaler Bedeutung. Es wird
ausgenutzt, dass die Schmelztemperatur innerhalb nanoskopischer Geometrien deutlich herabgesenkt werden kann, sodass es moglich ist die Eigenschaften von flussigem
Wasser innerhalb des „no man’s land“ zu studieren. Als Confinement wurden bereits in
vorangegangenen Arbeiten mesoporose Silikamaterialien mit unterschiedlichen Porendurchmessern verwendet. Nach Eintreten von partieller Kristallisation im Poreninneren bleibt ein gewisser Wasseranteil an den Grenzflachen im flussigen Zustand, welcher weiterhin fur Untersuchungen im unterkuhlten Temperaturbereich zuganglich ist. Es wurde fur unterschiedliche Systeme mit Wasser ein Ubergang in der Temperaturabhangigkeit der lokalen Dynamik in der Nahe von 220 K beobachtet. Nach wie vor wird
kontrovers diskutiert, ob der Ubergang eine charakteristische Eigenschaft von Wasser darstellt, oder dieser lediglich durch die geometrische Einschrankung verursacht
wird. Es ist somit unklar, inwieweit die Beobachtungen fur solche Systeme relevant fur
die Eigenschaften von unterkuhltem Bulk-Wasser sind, weshalb es von fundamentaler Bedeutung ist, charakteristische Wassereigenschaften von generellen Confinement-
Effekten zu unterscheiden.
Um den Einfluss der Confinement-Grose auf die Dynamik zu studieren, wurde in
dieser Arbeit Wasser in Silikaporen MCM-41 und SBA-15 untersucht, deren Porendurchmesser systematisch von 2,1 nm bis 9,4 nm variiert wurde. Auserdem wurden
Anzeichen gesucht, ob fur Wasser im Confinement bei Temperaturen unterhalb des
Ubergangs die strukturelle α-Relaxation oder ein rein lokaler Sekundarprozess beobachtet wird. Neben der Forschung an reinem Wasser in Silikaporen, wurde ebenfalls
die Dynamik von Wasser-Glycerin-Mischungen mit unterschiedlicher Wasserkonzentration in Silikaporen sowie im Bulk untersucht. Daruber hinaus fanden Studien an einer Wasser-e-Polylysin-Losung statt. Unterschiedliche Methoden der kernmagnetischen
Resonanz und der dielektrischen Spektroskopie wurden verwendet, um die Dynamik
in einem breiten Temperaturbereich zu studieren. Durch Kombination verschiedener
2H-NMR-Experimente und DS wurde die lokale Reorientierungsdynamik uber etwa zwolf Grosenordnungen bestimmt. Zusatzlich fanden Untersuchungen der langreichweitigen Translationsbewegung mit Hilfe von 1H- und 2H-NMR-Diffusometrie in hohen statischen Feldgradienten statt. Fur alle untersuchten Porendurchmesser wurde bei einer Temperatur von etwa 220 K eine Anderung in der Dynamik von einem fragilen bei hohen zu einem starken Verhalten bei tiefen Temperaturen beobachtet. Es wurde gezeigt, dass die Dynamik uber den gesamten Temperaturbereich naherungsweise unabhangig vom Porendurchmesser ist, selbst wenn der zugangliche Porenraum durch partielle Kristallisation deutlich reduziert wurde. Auserdem wurde beobachtet, dass
die lokale Reorientierungsdynamik in Silikaporen der von Bulk-Wasser fur Temperaturen oberhalb und unterhalb des „no man’s land“ ahnelt. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die beobachtete Dynamik auch unterhalb des Ubergangs nach wie vor
fur einen Austausch von Wassermolekulen in unterschiedlichen lokalen Umgebungen
sorgt, sodass diese keinen rein lokalen Sekundarprozess darstellt. Auser lediglich einer erhohten Heterogenitat fanden sich keine Confinement-Effekte fur die Dynamik derWasser-Glycerin-Mischungen. Eine ahnliche Wasserdynamik wie in Silikaporen wurde
auch im Fall der untersuchten Wasser-e-Polylysin-Losung beobachtet. Fur dieses System wurde ebenfalls die Dynamik eines weiteren Prozesses bestimmt, welcher einer kollektiven Bewegung von e-Polylysin und Wasser zugeschrieben wird. Die Studie
der langreichweitigen Translationsbewegung zeigte, dass die Diffusion von Wasser
innerhalb der Silikaporen deutlich langsamer ist als im Bulk. Mit Verringern des Porendurchmessers, ergaben sich systematisch kleinere Diffusionskoeffizienten. Fur die
langreichweitige Translation zeigt sich im Gegensatz zur lokalen Reorientierung kein
Ubergang in der Temperaturabhangigkeit. Die Diffusionskoeffizienten folgen dagegen
uber den gesamten Temperaturbereich jeweils einem Arrhenius-Gesetz. Der Vergleich
der Rotations- und Translationsdynamik spricht dafur, dass in der Nahe der Silikawande die lokale Reorientierung von der langreichweitigen Diffusion entkoppelt. Fur
alle untersuchten Systeme zeigten sich eher schwache Confinement-Effekte in Hinsicht
auf lokale Reorientierungen. Der dynamische Ubergang konnte ausschlieslich im Fall
von Wasser beobachtet werden und zeigte sich unabhangig von Porengrose. Aufgrund
dieser Befunde wird angenommen, dass dieser Ubergang nicht alleine durch Confinement-Effekte verursacht sein kann. Alternativ wird in Betracht gezogen, dass bei tiefen
Temperaturen fluktuierende eisartige Strukturen mit flussigkeitsahnlichen Strukturen
koexistieren konnten. Der Ubergang ist dann moglicherweise auf eine Anderung von einem strukturell homogenen Zustand zu einem Zustand mit sehr lokaler Heterogenitat
zuruckzufuhren.
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