Zur Distanzimmobilisation des Eurasischen Luchses (Lynx lynx)

2001 
Fur den Eurasischen Luchs (Lynx lynx) wurde ein modernes, tierart- und tierschutzgerechtes Anasthesie- und Immobilisationsverfahren erarbeitet. Erstmals werden statistisch gesicherte Daten einer nahezu vollstandigen Anasthesieuberwachung bei dieser Felidenart vorgestellt. Zur Schonung der Probanden fand ein praxisnahes und unter Feldbedingungen einsetzbares nicht bzw. minimal invasives Monitoring Verwendung. Anhand der Uberwachung von Reflexerregbarkeit, Schmerzempfinden, Muskelrelaxation, Atem-, Kreislauf- und Stoffwechselfunktionen wurden die klinische Eignung und die veterinarmedizinische Praktikabilitat einer Medetomidin/Ketamin-Anasthesie beim Luchs uberpruft. Die Untersuchungen wurden unter weitestgehend standardisierten Bedingungen und unter Berucksichtigung der Geschlechter sowie unterschiedlicher Alters- und Gewichtsklassen an 17 Versuchstieren durchgefuhrt. Das Alter der 10 mannlichen (davon 1 Kastrat) und der 7 weiblichen Tiere reichte von etwa 3 Jahren bis 14 ½ Jahren, bei einem Korpergewicht von 16,8 kg bis 35 kg. Es wurden – nach geschatztem Korpergewicht – 0,03 mg/kg Kgw Medetomidin und 3 mg/kg Kgw Ketamin auf Distanz injiziert (0,0319 ± 0,0031 mg/kg Kgw Medetomidin und 3,19 ± 0,31 mg/kg Kgw Ketamin absolut). Alle experimentell-anasthesiologischen Immobilisationen wurden mit diagnostischen und/oder therapeutischen Masnahmen verbunden. In 5 min-Intervallen (15 min bis 45 min nach Injektion) wurden Daten der Reflexaktivitat, des Schmerzempfindens, der Muskelrelaxation, der Atemfrequenz, des ausgeatmeten Kohlendioxids (Kapnometrie), der peripheren Sauerstoffsattigung (Pulsoximetrie), der Herzfrequenz, der indirekten Blutdruckmessung, der kapillaren Ruckfullungszeit, der Schleimhautfarbe und der Thermoregulation in einem eigens fur diese Studie entwickelten Anasthesieprotokoll dokumentiert. Die Aufzeichnungen der Elektrokardiogramme sowie die venosen Blutgasanalysen (inkl. Saure-Basen-Status) erfolgten in 10 min-Intervallen (15 min bzw. 20 min bis 45 min bzw. 50 min nach Injektion). Die mittlere Einleitungsphase betrug 0:10:21 ± 0:03:26 [h:min:sek], die Toleranzphase 0:50:27 ± 0:08:42 [h:min:sek] und die Aufwachphase 0:13:56 ± 0:07:53 [h:min:sek]. Die Toleranzphase wies eine sehr gute Anasthesietiefe mit deutlicher peripherer Analgesie und vollstandiger Muskelrelaxation auf. Kapnometrie, Pulsoximetrie, indirekte Blutdruckmessung, Elektrokardiographie und mobile Blutgasanalyse erwiesen sich als zuverlassige nicht bzw. minimal invasive Methoden fur eine Anasthesieuberwachung unter Feldbedingungen. Erregbarkeit des Pupillarreflexes (p=0,0031), endexspiratorischer Kohlendioxidgehalt (p=0,0002), periphere Sauerstoffsattigung (p=0,0098), venoser Sauerstoffpartialdruck (p=0,0026) und venoser Kohlendioxidpartialdruck (p=0,0030) erfuhren im Verlauf der Anasthesie von Minute 15 bis Minute 45 bzw. 50 einen signifikanten Anstieg. Erregbarkeit des Kornealreflexes (p=0,0063), Herzfrequenz (p<0,0001), diastolischer Blutdruck (p=0,0216) und Korperinnentemperatur (p<0,0001) verringerten sich im selben Zeitraum signifikant. Alle ubrigen Parameter erfuhren im Verlauf der Anasthesie keine Veranderungen oder die Veranderungen waren statistisch nicht signifikant. Die i.m. Gabe von Atipamezol in der 5fachen Dosis des verabreichten Medetomidin erwies sich bei dieser Felidenart als geeignet, den Medetomidinanteil rasch und effektiv aufzuheben. Die gewonnenen Daten belegen, das systemische wie organspezifische Einflusse der Medetomidin/Ketamin-Anasthesie in oben genannter Dosis durch endogene Regulationsmechanismen der Luchse kompensiert wurden und bei gesunden Tieren keine klinischen Komplikationen hervorriefen. Die Kombination aus dem α2-Agonisten Medetomidin und dem dissoziativen Anasthetikum Ketamin fuhrt beim Eurasischen Luchs in der verwendeten Dosis zu einer sicheren, effektiven und antagonisierbaren Immobilisation, die fur kleine chirurgische Eingriffe und Managementmasnahmen geeignet ist.
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