Einfluss zunehmender Fahrzeugautomatisierung auf Fahrkompetenz und Fahrkompetenzerwerb

2019 
Bisher liegt der Schwerpunkt der Forschungsaktivitaten im Bereich der automatisierten Fahrzeugfuhrung auf generellen Automatisierungseffekten, die implizit einen fahrerfahrenen Fahrer annehmen. Welches Potenzial Fahrerassistenzsysteme und Fahrzeugautomatisierung fur Fahrschuler und Fahranfanger wahrend des Kompetenzerwerbs haben, ist bisher nicht ausreichend erforscht. Anhand einer Literaturrecherche und eines Expertenworkshops werden in diesem Bericht Forschungsfragen aus dem Bereich des Fahrkompetenzerwerbs im Kontext zunehmender Fahrzeugautomatisierung erarbeitet. Im Rahmen der Literaturrecherche werden zunachst relevante Begrifflichkeiten aus der Expertise- und Kompetenzforschung definiert (z.B. Experte, Experteneigenschaften) sowie allgemeingultige Modelle zum Expertise- und Kompetenzerwerb aufgefuhrt. Mit Hilfe dieser Grundlagen wird anschliesend der Kompetenzerwerb konkret auf das Autofahren ubertragen und der Prozess des Fahrkompetenzerwerbs (z.B. Lernbedingungen wahrend der Fahrausbildung und des darauffolgenden selbststandigen Fahrens, Unfallgeschehen der Fahranfanger) betrachtet. Nach GASSER, SEECK und SMITH (2015) lassen sich Fahrerassistenzsysteme sowie die Stufen der Fahrzeugautomatisierung nach ihrer Wirkweise in drei grundlegende Funktionskategorien einteilen (Funktionen der Wirkweisen A, B und C). Heute verfugbare Systeme werden in diese drei grundlegenden Funktionskategorien eingeordnet. Schlieslich werden in diesem Bericht Fahrkompetenz und Wirkweisen zusammengefuhrt: Fur jede Wirkweise werden die bestehenden Anforderungen an den Fahrer und damit verbundene Erkenntnisse zum Erwerb und der Entwicklung von Fahrkompetenz dargestellt. Es stehen als Nutzergruppen die Fahrschuler und die Fahranfanger im Fokus. Als weitere Nutzergruppe werden fahrerfahrene Fahrer berucksichtigt. Der durchgefuhrte Expertenworkshop diente dazu, eine anwendungsbezogene Erganzung zur Literaturanalyse zu schaffen. Mit Vertretern der Fahrlehrerverbande, der Forschung und fahrerfahrenen Fahrern wurden Fragen diskutiert, die sich fur die Wirkweisen A, B und C im Zusammenhang mit dem Fahrkompetenzerwerb ergeben. Die Befunde der Literaturrecherche werden zusammen mit den Ergebnissen des Expertenworkshops zur Ableitung des Forschungsbedarfs herangezogen. Der Forschungsbedarf wird – strukturiert nach den Wirkweisen – fur jede Nutzergruppe dargestellt. Fur die Nutzergruppen allgemein (d. h. alle Fahrer) ergibt sich Forschungsbedarf bezuglich der Bestimmung des Trainingsbedarfs zum Erlernen des richtigen Umgangs mit Funktionen der Wirkweisen A bis C sowie der Entwicklung entsprechender Trainingskonzepte (Schwerpunkt: Wirkweise B). Die Entwicklung von Trainingskonzepten zur Deckung dieses Trainingsbedarfs sollte unter Berucksichtigung der Kompetenzen der einzelnen Nutzergruppen erfolgen. Weiterhin sollten in der Forschung zukunftig sowohl der Anforderungswandel an das Aufmerksamkeitsmanagement der Fahrer bei Nutzung von Funktionen der Wirkweise B als auch Veranderungen in der Kommunikation zwischen Verkehrsteilnehmern im kunftigen Mischverkehr Berucksichtigung finden. Fur die Nutzergruppe der Fahrschuler ergibt sich Forschungsbedarf bezuglich der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Fahrausbildungs- und Fahrprufungsinhalten fur Funktionen der Wirkweisen A bis C. Fur Funktionen der Wirkweisen A und B (Level 1) zeigt sich ein Potenzial zur Unterstutzung des Kompetenzerwerbs beim Fahrenlernen, das zukunftig untersucht werden sollte. Von einem ausschlieslichem Gebrauch von Funktionen der Wirkweise B wahrend der Fahrschulausbildung sollte abgesehen werden, da potenziell ein Risiko des Nicht-Erwerbs von Fahrkompetenz besteht. Fur die Nutzergruppe der Fahranfanger zeigt sich ein Potenzial zur Unterstutzung des nach dem Fahrerlaubniserwerb andauernden Kompetenzerwerbs fur Funktionen der Wirkweisen A und B (Level 1), welches zukunftig in der Forschung berucksichtigt werden sollte. Ahnlich wie bei der Gruppe der Fahrschuler besteht auch fur Fahranfanger das potenzielle Risiko eines Nicht-Erwerbs von Fahrkompetenz bei ausschlieslichem Gebrauch von Funktionen der Wirkweise B. Fur die Nutzergruppe der fahrerfahrenen Fahrer ergibt sich zum einen Forschungsbedarf fur die Bestimmung des notwendigen Trainingsumfangs fur Funktionen der Wirkweisen A und B. Zum anderen sollte zukunftig in der Forschung die Relevanz moglicher Verschlechterungen psychomotorischer Fertigkeiten bei uberdauernder Nutzung von Funktionen der Wirkweise B (hauptsachlich Level 2 und 3) berucksichtigt werden.
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