Entwicklung und Überprüfung eines konsolidierten Akzeptanzmodells für Lernmanagementsysteme

2016 
Wie alle anderen Bereiche des taglichen Lebens, sind auch Bildungseinrichtungen von der immer schnelleren Entwicklung der Medien betroffen. Unter neuen Medien werden Anwendungen verstanden, die es dem Nutzer ermoglichen digitale Daten abzurufen, hochzuladen, zu verandern und mit anderen Nutzern auszutauschen, beispielsweise also Web-2.0-Anwendungen, Messenger und ahnliche Technologien, wie auch Lernmanagementsysteme. Von neuen Medien wird angenommen, dass durch ihren richtigen Einsatz Lernen gefordert werden kann (Rinn & Bett, 2003). Neue Medien mussen jedoch nicht immer positiv angenommen werden. Die positive oder negative Annahme ausert sich in einer Nutzung oder Nicht-Nutzung und hangt zu einem grosen Teil von ihrer Akzeptanz ab (Venkatesh, Morris, Davis & Davis, 2003). Hinsichtlich der Lernmanagementsysteme lassen sich vor allem zwei Nutzergruppen unterscheiden: die Lehrenden, die die Lerninhalte anbieten und die Lernenden, die die Lerninhalte konsumieren. Aufgrund ihrer stark unterschiedlichen Nutzungsweise der Lernmanagementsysteme stellt sich die Frage, ob und inwiefern sich fur diese Nutzergruppen die Faktoren unterscheiden, die ihre Akzeptanz beein-flussen. Um die Ursachen fur die Nutzung oder Nicht-Nutzung zu identifizieren, ist es wichtig zu verstehen, wodurch die Akzeptanz von Lernmanagementsystemen beein-flusst wird. Es gibt mittlerweile eine grose Anzahl Akzeptanzmodelle. Die einzelnen Modelle legen den Fokus auf unterschiedliche Faktoren, die die Akzeptanz beein-flussen konnten. Zudem werden sie immer wieder uberarbeitet und um weitere Fak-toren erweitert. Es besteht daher keine Klarheit, welches Modell beziehungsweise welche Faktoren wirklich essentiell fur die Akzeptanz sind. Deshalb stellt sich die Frage, ob sich ein Modell finden lasst, das moglichst alle relevanten Faktoren bein-haltet, um Akzeptanz bzw. Verhalten vorauszusagen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein konsolidiertes Modell zu entwickeln und auf seine Gultigkeit hinsichtlich der Nutzergruppen der Anbieter und Konsumenten zu uberprufen. Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil werden aus mehre-ren Modellen die Kernkonstrukte herausgearbeitet. Anschliesend wird deren Bedeu-tung anhand einer Metaanalyse uberpruft. Aus den Ergebnissen wird ein konsoli-diertes Modell entwickelt. Im zweiten Teil wird das Modell in zwei empirischen Stu-dien auf die beiden Nutzergruppen angewandt. Mit dem zweiten Teil werden drei Forschungsfragen untersucht. Erstens die Frage ob ein konsolidiertes Modell, das auf den bisherigen Modellen beruht, fur die Nutzung von Lernmanagementsystemen fur Lernende und Lehrende angewandt werden kann. Zweitens wird die Frage untersucht, welche Konstrukte einen moderierenden Effekt auf den Zusammenhang von Nutzungsabsicht und Nutzung haben. Drittens wird die Frage untersucht, inwiefern sich signifikante Effekte zwischen den Nutzergruppen der Lehrenden und Lernenden ergeben. Im ersten Teil der Arbeit werden zunachst verschiedene Akzeptanzmodelle in einem historisch ordnenden Uberblick dargestellt. Aufbauend auf diesem theoretischen Uberblick sowie einem systematischen Review und einer Metaanalyse von 116 Stu-dien wird uberpruft, welche Modelle und Konstrukte in bisher durchgefuhrten Stu-dien Verwendung finden. Anhand dieser Ergebnisse wird ein konsolidiertes Modell erstellt. Dieses soll moglichst alle zur Messung von Akzeptanz relevanten Konstrukte enthalten, ohne dabei zu viele oder zu spezifische Konstrukte zu berucksichtigen. Das Modell ubernimmt die Grundannahme der meisten Akzeptanzmodelle. Auch hier gilt, dass die Nutzung direkt von einer Nutzungsabsicht beeinflusst wird. Die Nutzungsabsicht wird von einer Kosten-Nutzen-Abwagung beeinflusst, die mit den Variablen „erwarteter Aufwand“ und „erwarteter Nutzen“ operationalisiert wird. Diese Abwagung wiederum wird von mehreren Pradiktoren beeinflusst. Diese sind soziale Einflusse, Selbstwirksamkeit, Computerangstlichkeit, erleichternde Umstande und Computerwissen. Das konsolidierte Modell wird im zweiten Teil fur zwei empirische Studien eingesetzt. In diesen werden fur eine Stichprobe aus Studierenden und eine Stichprobe aus Lehrkraften Strukturgleichungsmodelle berechnet. Die erste Stichprobe besteht aus N = 292 Lehramts-Studierenden verschiedener Lehramter der LMU Munchen. Die zweite Stichprobe setzt sich aus N = 298 Lehrkraften von 53 bayerischen Schulen zusammen. In der bisherigen Forschung wurde der Zusammenhang der Nut-zungsabsicht mit der Nutzung als selbstverstandlich angenommen und wenig unter-sucht. Daher wird in beiden Studien uberpruft, ob sich moderierende Effekte fur diesen Zusammenhang zeigen. Um die Stichproben zu vergleichen, werden Kon-fidenzintervalle der einzelnen Pfade verglichen. Dies dient dazu, signifikante Unter-schiede zwischen den Nutzergruppen zu identifizieren. In den beiden empirischen Studien zeigt sich, dass das konsolidierte Modell weitge-hend fur beide Stichproben Gultigkeit hat. Fur den Zusammenhang zwischen Nut-zungsabsicht und Nutzung ergeben sich ambivalente Ergebnisse, ebenso fur die Effekte der Kosten-Nutzen-Abwagung auf die Nutzungsabsicht. Hinsichtlich der Pradiktoren der Kosten-Nutzen-Abwagung ist der starkste Pradiktor in beiden Stichproben die Konstrukte „erleichternde Umstande“. Die Selbstwirksamkeit zeigt nur fur die Studierenden signifikante Effekte auf die Kosten-Nutzen-Abwagung. Die ubrigen untersuchten Pradiktoren zeigen in beiden Studien Effekte auf den er-warteten Aufwand oder den erwarteten Nutzen. Lediglich die Computerangstlichkeit zeigt in beiden Stichproben keine Effekte als Pradiktor der Kosten-Nutzen-Abwagung. Jedoch hatte die Computerangstlichkeit einen starken moderierenden Effekt auf den Zusammenhang von Nutzungsabsicht und Nutzung. Der Erkenntnisgewinn dieser Arbeit besteht in der Entwicklung des konsolidierten Modells aus der theoretischen Analyse der Modelle und der Metaanalyse. Hinsichtlich dieses Modelles zeigt sich, dass die Akzeptanz, zumindest weitgehend, mit einem sparsamen konsolidierten Modell mit relativ wenig Konstrukten gemessen werden kann. Weitergehender Erkenntnisgewinn liegt in der Anwendung des konsolidierten Modells in den beiden Studien mit Studierenden und Lehrkraften. Hierbei ist vor allem die Berucksichtigung von Moderatoren auf den Effekt zwischen Nut-zungsabsicht und Nutzung von Interesse, da an dieser Stelle bislang nahezu keine Moderatoranalysen stattgefunden haben. Zudem wird ein Vergleich zwischen objek-tiv und subjektiv gemessener Nutzung durchgefuhrt. Dabei zeigt sich, dass die sub-jektive Messung von Nutzung die tatsachliche Nutzung moglicherweise nicht zuver-lassig abbildet. Es besteht also einige Evidenz, dass der Zusammenhang von Nut-zungsabsicht und Nutzung genauerer Untersuchung bedarf. Dieser Zusammenhang wurde in der bisherigen Forschung vernachlassigt. Die Einschrankungen der Studie bestanden darin, dass die Erhebung fur Studierende am Ende des Semesters durchgefuhrt wurde. Dies konnte zum Teil den Zusam-menhang der Nutzungsabsicht und Nutzung negativ beeinflusst haben. Die Studie mit Lehrkraften wurde ausschlieslich per Fragebogen durchgefuhrt und ist damit den Gefahren reiner Fragebogenerhebungen ausgesetzt. Eine Einschrankung der Metaanalyse ergibt sich daraus, dass diese fur das generierte Kernmodell nur signifi-kante Pfade berucksichtigt. Dies wurde so durchgefuhrt, um das Modell moglichst von nicht relevanten Zusammenhangen zu entlasten. Jedoch hatte der Vergleich zu den in den ursprunglichen Modellen angenommenen Pfaden interessante Ergebnisse liefern konnen. Es sollte also davon abgesehen werden, Akzeptanzmodelle um zusatzliche Pra-diktoren zu erweitern. Das Ziel zukunftiger Forschung musste vielmehr sein, ein konsolidiertes Modell zu finden, dass sich moglichst gut auf moglichst viele Nutzer-gruppen anwenden lasst. Zudem sollte der Zusammenhang zwischen Nutzungsab-sicht und Nutzung genauer untersucht werden, wobei hier ein starker Fokus auf die Messung mit subjektiven Daten gelegt werden sollte. Aus praktischer Sicht sollte auf Seite der Pradiktoren vor allem auf die erleichternden Umstande und sozialen Ein-flusse eingewirkt werden. Auf Seite der Moderatoren scheint die Computerangst-lichkeit als ein vielversprechender Ansatzpunkt. Durch Workshops mit mediendi-daktischem Hintergrund zu den Lernumgebungen konnte vermutlich auf die meisten dieser Konstrukte eingewirkt werden (Abbad, Morris & Nahlik, 2009; Chua, Chen & Wong, 1999; Leso & Peck, 1992; Venkatesh et al., 2003).
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