Entwicklungszusammenarbeit im Nahen Osten und in Nordafrika: Auch in konfliktbetroffenen Ländern neue Gesellschaftsverträge unterstützen

2020 
Die Beziehungen zwischen den Staaten und Gesellschaften des Nahen Ostens und Nordafrikas (MENA) befinden sich auch fast ein Jahrzehnt nach den Aufstanden von 2011 noch im Wandel. Die Revolten druckten eine weit verbreitete Ablehnung der damaligen Gesellschaftsvertrage aus. Diese basierten auf der Umverteilung von Renteneinnahmen aus naturlichen Ressourcen, Transfers und Subventionen als 'Entschadigung' fur die Duldung einer politisch und wirtschaftlich autoritaren Regierungsweise. In verschiedenen Landern der Region wie im Irak, in Libyen, in Syrien und im Jemen, aber auch in Algerien, im Libanon und in Palastina wurden die alten Gesellschaftsvertrage durch Burgerkriege und international geforderte Kriege zerstort, teilweise auch schon vor den Aufstanden von 2011. Erodierte Gesellschaftsvertrage haben die Konflikte in der MENA-Region verursacht - die Unterstutzung neuer Gesellschaftsvertrage - vor allem in den von Konflikten betroffenen Landern - sollte daher ein zentrales Ziel der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) sein. Beim "Wiederaufbau" wird haufig nicht beachtet, dass Konflikte nicht mit Friedensabkommen enden, und dass die betroffenen Gesellschaften zur Vermeidung kunftiger Gewalt mehr brauchen, als wieder hergestellte Infrastruktur, Institutionen und Investitionen des Privatsektors. Entwicklungsorganisationen sprechen in diesem Zusammenhang von "Resilienz2, um die politische, wirtschaftliche, soziale und okologische Stabilitat zu fordern, statt eine unkontrollierbare, revolutionare Transformation zu riskieren. Im Namen der "Resilienz" wurden jedoch haufig nur kurzfristig bestimmte Akteure und Systeme unterstutzt. EZ muss mehr leisten als Wiederaufbau und Resilienz, um dem Anspruch langfristiger Stabilitat gerecht zu werden. Steht der Gesellschaftsvertrag im Fokus, kann die EZ mit Konfliktstaaten ein wichtiges Bindeglied zwischen Friedenssicherung, Wiederaufbau und langerfristiger soziookonomischer und politischer Entwicklung sein - und langfristig nachhaltige Stabilitat fordern. Die analytische 'Brille' des Gesellschaftsvertrags zeigt, was Geber vermeiden sollten, und verdeutlicht, worauf sich das Engagement in der Ubergangszeit nach einem Burgerkrieg konzentrieren sollte. Beispiele aus der Praxis in der MENA-Region legen nahe, dass Geber neue Gesellschaftsvertrage unterstutzen konnen, indem sie sich fur (a) Stakeholder-Dialoge, (b) Governance und Reformen sowie (c) soziookonomische Integration einsetzen. In Libyen hilft der soziookonomische Dialog, eine wirtschaftliche Zukunftsvision fur das Land entwickeln. Das Municipal Development Programme (MDP) in Palastina konzentriert sich auf die Verbesserung der Rechenschaftspflicht und der Leistungserbringung kommunaler Institutionen. Der marokkanische Rat fur wirtschaftliche, soziale und Umweltangelegenheiten (CESE) zeigt auf, wie ehemals marginalisierte Gruppen aktiv einbezogen werden konnen. Diese drei positiven Beispiele zeigen, wie die Zusammenarbeit der gesellschaftlichen Gruppen in den MENA-Landern gefordert werden kann. Sie verfolgen das Ziel, Entscheidungsprozesse auszuweiten und die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft zu verbessern, und konnten mit externer Unterstutzung auch fur andere fragile Kontexte angepasst werden. Durch Initiativen dieser Art konnten die Geber einen groseren Beitrag zu nachhaltigen und langfristigen Friedens- und Staatsbildungsprozessen in konfliktbetroffenen MENA-Landern leisten.
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