Trotz alledem — die Aktion 18. März

2010 
Die Institutionalisierung des kollektiven Erinnerns durch einen Feier- oder Gedenktag verfolgt immer einen normativen Anspruch. Sie soll der Vergangenheitsdeutung, dem Gegenwartsverstandnis und der Zukunftsperspektive Orientierung und dem Geschichtsbewusstsein einer Gesellschaft Bezugspunkte geben: Sie will kollektiv Sinn und Identitat stiften sowie politische Loyalitaten herstellen.1 Die Zivilgesellschaft wie die politischen Funktionseliten der Bundesrepublik sind angesichts ihres „schwierigen Vaterlands“ vor erhebliche Legitimationsprobleme gestellt, durch den Rekurs auf Historisches demokratischen Sinn fur das Gemeinwesen der Gegenwart zu stiften. Zwei Weltkriege, der Nationalsozialismus, Antisemitismus und Holocaust sowie die SED-Diktatur bieten keine positiven Anknupfungspunkte, sondern erzeugten, so Reinhart Koselleck mit Bezug auf den Nationalsozialismus, vor allem „Formen und Traditionen negativen Gedachtnisses“.2 Die staatliche Geschichtspolitik generierte nach 1945 identitatsrelevanten Sinn in erster Linie ex negativo.3 Dies gilt fur die DDR, in der der Antifaschismus eine zentrale Legitimationsbasis der politischen Herrschaft der SED bildete.4 Dies gilt auch fur die Bundesrepublik. Seit 1996 ist hier der 27. Januar, der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee, der offizielle Gedenktag fur die Opfer des Nationalsozialismus. Aus Anlass des 20. Jahrestags der Grenzoffnung vom 9./10. November 1989 findet auch der Ansatz immer breitere Resonanz, der friedlichen Revolution von 1989 als einem positiven Bezugspunkt im offentlichen Erinnern ein starkeres Gewicht als bisher zu geben.
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