Klinische Effektivität von Biomarkern zur Krebsfrüherkennung im Rahmen von Selbstzahlerleistungen in Deutschland und Österreich – Ein systematischer Review

2013 
Hintergrund: Selbstzahlerleistungen, auch individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) genannt, sind Untersuchungen oder Behandlungen, die nicht im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sind. Ambulant werden Patienten sogenannte Vorsorge-Checks als IGeL angeboten, die unter anderem einen Labortest mit Biomarkern beinhalten. Dieses Angebot richtet sich an asymptomatische Patienten und fallt nicht in das Leistungsspektrum der gesetzlichen Screeningmasnahmen. Blut- und Laboruntersuchungen machen bis zu 14% des Angebots an Selbstzahlerleistungen aus [1]. Diese Arbeit untersucht die klinische Effektivitat von elf Biomarkern als Screeningtest zur Krebsfruherkennung (AFP, CA125, CA153, CA199, CEA, Cyfra21 – 1, β-HCG, NMP22, M2-PK, NSE, PCA3), die im Internet haufig von Arzten und Laboren als IGeL angeboten werden. Forschungsfrage: Wie ist die Nutzen-Schaden-Bilanz hinsichtlich patientenrelevanter Endpunkte (Mortalitat, Morbiditat, Lebensqualitat) bei der Anwendung dieser Biomarker als Screeningtest zur Krebsfruherkennung bei asymptomatischen Personen im Vergleich zur Routineversorgung? Methoden: Mittels systematischer Literaturrecherchen wurde fur alle ausgewahlten Biomarker nach Health-Technology-Assessment-Berichten, systematischen Reviews und randomisierten kontrollierten Studien (RCT) gesucht. Einschlusskriterien waren, dass asymptomatische Personen gescreent und mit einer ungescreenten Kontrollgruppe verglichen wurden. Untersuchte Zielgrosen waren die Auswirkungen auf Mortalitat, Morbiditat und der potenziell entstehende Schaden. Der systematische Review wurde nach den Methoden der evidenzbasierten Medizin erstellt. Ergebnisse: Zu neun der elf Biomarker wurden weder Ubersichtsarbeiten noch RCTs gefunden, die einen dieser Biomarker als Screeningtest an gesunden Personen untersuchten. Insgesamt konnten funf Ubersichtsarbeiten eine zu NMP22 und vier zu CA125 und zwei RCTs zu CA125 eingeschlossen werden. Da zum Recherchezeitpunkt ein RCT noch andauerte, waren Daten zur krankheitsspezifischen Mortalitat nur aus einem RCT verfugbar. Fur die zehn weiteren Biomarker, NMP22 eingeschlossen, war keine Evidenz zu patientenrelevanten Endpunkten vorhanden. Beim kombinierten Screening aus CA125 und vaginalem Ultraschall bestand zwischen gescreenten und ungescreenten Frauen kein statistisch signifikanter Unterschied in der Ovarialkarzinommortalitat (RR:1,18 95%-KI:0,82 – 1,71) [2]. Aus den ersten vier Screeningrunden wurden die Daten separat fur den Biomarker CA125 ausgewertet. Das Verhaltnis von Operationen zu tatsachlich gefundenen invasiven Karzinomen nach positivem CA125-Befund lag bei rund 4,5 zu 1 [3]. Schlussfolgerung: Aus den Ergebnissen der Screeningstudie mit dem Biomarker CA125 zum Ovarialkarzinomscreening lies sich ein Schaden durch falsch-positive Testergebnisse, Uberdiagnose und -behandlung, aber kein Nutzen aufzeigen. Fur die anderen betrachteten Biomarker war keine Evidenz zur klinischen Effektivitat als Screeningtest vorhanden. Bevor Patienten eine solche Leistung in Anspruch nehmen, sollten sie uber die fehlende Evidenz der untersuchten Biomarker zur Krebsfruherkennung und den potenziell entstehenden Schaden umfassend informiert werden.
    • Correction
    • Source
    • Cite
    • Save
    • Machine Reading By IdeaReader
    0
    References
    0
    Citations
    NaN
    KQI
    []