Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) und Stillen: Nutzen-Risiken-Abwägungen

2021 
Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) sind industriell hergestellte organische Verbindungen, die sich aufgrund ihrer wasser- und fettabweisenden Eigenschaften in zahlreichen Gebrauchsgegenstanden finden. Bedingt durch ihre enorme Persistenz und hohe Mobilitat haben diese Substanzen in den vergangenen Jahrzehnten zu einer globalen Kontamination von Umwelt und Lebensmitteln gefuhrt. Ein Teil der PFAS akkumuliert im Menschen und – bedingt durch deren Transfer in die Muttermilch – besonders in gestillten Kindern. Epidemiologische Studien haben in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend Evidenz dafur geliefert, dass auch im Bereich einer hohen Hintergrund-Exposition negative Effekte beim Menschen moglich sind. Fur Kinder ist bei der gegenwartigen Datenlage eine verminderte Bildung von Impfantikorpern als kritischer Effekt anzusehen. Die Europaische Behorde fur Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat am 17.09.2020 eine neue PFAS-Bewertung vorgelegt, in der eine tolerierbare wochentliche Aufnahmemenge fur die Summe von vier Verbindungen abgeleitet wird. Bei dieser Bewertung stehen die Akkumulation der Verbindungen wahrend der Stillperiode und mogliche Effekte bei der Bildung von Impfantikorpern beim Kind im Fokus. Auch wenn die allgemeine PFAS-Exposition in den letzten 30 Jahren deutlich zuruckgegangen ist, sind gegenwartig noch ca. 20 % der Frauen in Deutschland so hoch exponiert, dass lange gestillte Kinder die von der EFSA abgeleiteten kritischen PFAS-Level im Blut erreichen konnen. In dieser Stellungnahme befasst sich die Nationale Stillkommission mit der Abwagung von Nutzen und Risiken des Stillens in Bezug auf die Exposition gestillter Kinder durch PFAS. Sie kommt zu folgenden Schlussen: Eine verminderte Bildung von Impfantikorpern ist als grundsatzlich unerwunscht anzusehen. Bisher gibt es jedoch keine belastbaren wissenschaftlichen Studienerkenntnisse, dass eine vergleichsweise hohe PFAS-Exposition eine klinische Bedeutung im Sinne einer verminderten Wirksamkeit von Impfungen oder einer erhohten Infektanfalligkeit bei lange gestillten Kindern hat. Den genannten moglichen gesundheitlichen Risiken stehen zahlreiche, konsistent beobachtete positive Effekte des Stillens bei Kind und Mutter gegenuber. In Abwagung von moglichen Risiken durch die Aufnahme von PFAS beim gestillten Kind und nachgewiesenem Nutzen des Stillens sieht die Nationale Stillkommission bei der gegenwartigen Datenlage daher keinen Grund, von der bestehenden Stillempfehlung abzuweichen. Dies gilt sowohl fur die Allgemeinbevolkerung als auch fur Menschen in besonders PFAS-exponierten Regionen. Auch weltweit hat in Kenntnis der bisher vorliegenden Befunde zu perfluorierten Verbindungen kein wissenschaftliches Gremium zu einer Einschrankung des Stillens geraten.
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