Untersuchungen zur intestinalen Verträglichkeit von Hydroxyethylstärke : Etablierung und Validierung eines neuen isoliert perfundierten Mausdünndarm-Modells

2014 
Im klinischen Einsatz werden bei intravasalem Volumenmangel neben kristalloiden auch kolloidale Infusionslosungen wie die Hydroxyethylstarke (HES) zur Therapie eingesetzt. Das Ziel dieser Flussigkeitssubstitution ist eine Wiederherstellung des intravasalen Volumens und die Vermeidung von kardiovaskular bedingter Hypoxie in Organen und Geweben. Aktuell wird der klinische Einsatz von HES kontrovers diskutiert, da neue Studien ein ungunstiges Nutzen-Risiko-Verhaltnis fur HES aufzeigten. Bislang wurde die intestinale Wirkung einer HES-Perfusion sowie die assoziierten physiologischen und zellularen Mechanismen trotz der hohen klinischen Relevanz des Darms im Rahmen der Sepsis und Odembildung kaum untersucht, was unter anderem auch auf das Fehlen geeigneter ex vivo Modelle zuruckzufuhren ist. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Analyse der physiologischen und zellularen Effekte einer vaskularen Perfusion mit HES auf die intestinale endotheliale und epitheliale Permeabilitat unter Verwendung eines neu etablierten ex vivo Mausdunndarm-Modells. Hierzu wurden Dunndarme aus C57/BL6 Mausen unter Sevofluran/Ketamin-Narkose isoliert und an ein fur das Mausmodell modifiziertes Perfusionssystem angeschlossen. Fur die erfolgreiche Etablierung mussten zahlreiche systemspezifische Anpassungen vorgenommen werden. Neben Veranderungen an den Kanulen, der Perfusionsparameter und der Waagen, wurde eine neue Vorrichtung fur den Transfer des isolierten Mausdunndarms (in vivo) in die Perfusionskammer (ex vivo) entwickelt. Zur Validierung des Modells wurden die Mausdunndarme vaskular mit 3 % Rinderserumalbumin (BSA) in modifiziertem Krebs-Henseleit-Puffer perfundiert (Kontrollgruppe) und in einer weiteren Gruppe mit einem Bolus Plattchen aktivierender Faktor (PAF) stimuliert. Fur die Untersuchung der intestinalen Vertraglichkeit von HES wurde das vaskulare Perfusat nach 60 Minuten Equilibrierungsphase von 3 % BSA auf 3 % HES 130/0,4 bzw. HES 200/0,5 gewechselt. Folgende Parameter wurden untersucht: Perfusionsraten und Perfusionsdrucke, die Flussigkeitshomoostase, die Barriereintegritat, die luminale Galaktoseaufnahme, die Histomorphologie, das Laktat zu Pyruvat Verhaltnis, das Feucht- zu Trockengewicht, die Sauerstoffaufnahme, der pH-Wert der Perfusate, die Darmmotilitat und die Gewichtsveranderung des Darms. Die Barriereintegritat wurde anhand der Ubertrittsrate des vaskular applizierten FITC-Dextrans in das interstitielle und das luminale Effluat bestimmt. Nach der Perfusion wurden elektronenmikroskopische Aufnahmen des Darms in der Kontrollgruppe und der HES 130/0,4-Gruppe angefertigt. Es wurde sowohl fur die Kontrollgruppe als auch fur die Gruppe mit PAF-Stimulus eine intakte Flussigkeitshomoostase, Barrierefunktion und luminale Galaktoseaufnahme uber die Versuchsdauer nachgewiesen. Bis auf histomorphologische Schaden am Darmepithel zeigten die untersuchten Parameter einen funktionell intakten, isoliert perfundierten Mausdunndarm. Eine Umstellung des vaskularen Perfusats von 3 % BSA auf 3 % HES 130/0,4 oder 3 % HES 200/0,5 fuhrte zu signifikanten Veranderungen in der Funktion, Flussigkeitshomoostase, Permeabilitat und Morphologie des Mausdunndarms. Die vaskulare Perfusion mit HES verursachte eine signifikante Zunahme bei der Flussigkeitsverschiebung vom vaskularen zum luminalen Kompartiment, was eine Storung der endothelialen und epithelialen Barrierefunktion suggerierte. Dieser Befund wurde durch die Ergebnisse des FITC-Dextran-Transfers unterstutzt. Das vaskular applizierte FITC-Dextran konnte unter Kontrollbedingungen die endotheliale und epitheliale Barriere nicht uberwinden und war luminal nur in geringen Mengen nachweisbar. Bei der vaskularen Perfusion mit HES stieg der FITC-Dextran-Transfer von vaskular nach luminal aufgrund der zunehmenden Permeabilisierung der Barriere signifikant an. Zudem konnten in elektronenmikroskopischen Aufnahmen histomorphologische Veranderungen in Form von vermehrten intrazellularen Vakuolen und erweiterten interzellularen Spalten im Darmepithel nach einer HES-Perfusion nachgewiesen werden. Zusatzlich fuhrte die Perfusion mit HES zu einer signifikanten Reduktion der luminalen Galaktoseaufnahme, was eine mogliche Storung der Resorptionsprozesse im Darm durch HES zeigte. In der vorliegenden Arbeit konnte das isoliert perfundierte Mausdunndarm-Modell erfolgreich etabliert und validiert werden. Eine Perfusion mit 3 % HES fuhrte im verwendeten ex vivo Maus-Modell zu einer Storung der Flussigkeitshomoostase und erhohter Permeabilitat des Endothels und Epithels mit signifikanten histomorphologischen Veranderungen des Epithels. Als vaskulares Perfusat war das eingesetzte HES im isoliert perfundierten Mausdunndarm unvertraglich. Dieser Befund unterstutzt die Empfehlung der europaischen Arzneimittelagentur wonach eine HES-Therapie bei Sepsis und schwerkranken Patienten nicht eingesetzt werden soll.
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