Einfluss der Thrombozytenaggregationshemmung mit einem Glykoprotein IIb/IIIa-Antagonisten auf den sekundären Hirnschaden und die zerebrale Mikrozirkulation nach experimentellem Schädel-Hirn-Trauma bei der Maus

2013 
Die Pathophysiologie des Schadel-Hirn-Traumas folgt einer zweistufigen zeitlichen Dynamik. Im Moment des Traumas entsteht durch die blose mechanische Schadigung des Hirnparenchyms der primare Hirnschaden. Gleichzeitig werden sekundare Mechanismen in Gang gesetzt, die mit einer zeitlichen Verzogerung zum nicht-mechanischen, sekundaren Hirnschaden fuhren. Man geht davon aus, dass die therapeutische Beeinflussung dieser Mechanismen eine Ausdehnung des Hirnschadens verhindern konnte. Als einer dieser Mechanismen wird haufig eine Verminderung der zerebralen Durchblutung angenommen, die zu einer Ischamie des Hirngewebes fuhrt. Da es zahlreiche Berichte uber Beobachtungen intravaskularer, zerebraler Aggregate und Mikrothromben infolge experimenteller oder klinischer Schadel-Hirn-Traumata gibt, wird vermutet, dass ein Zusammenhang zwischen beiden besteht. Dieser konnte auch in fruheren Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe hergestellt werden. Um diesen Aspekt eingehend zu untersuchen, fuhrten wir eine Reihe von Experimenten durch, in denen wir Mause einem experimentellen Schadel-Hirn-Trauma mittels Controlled Cortical Impact unterzogen und den Einfluss des antiaggregatorisch wirkenden Glykoprotein IIb/IIIa Antagonisten Tirofiban auf verschiedene Parameter der Pathophysiologie des Schadel-Hirn-Traumas untersuchten. Hierzu visualisierten wir mit Hilfe der intravitalen Fluoreszenzmikroskopie zunachst die posttraumatische Dynamik der Thrombozyten-Endothel-Interaktion und der Entstehung adharierender Aggregate in der zerebralen Mikrozirkulation und uberwachten dabei zahlreiche physiologische Parameter. Um eine mogliche Relevanz von Mikrothromben fur die Entwicklung des sekundaren Hirnschadens zu beleuchten, fuhrten wir weitere Versuche durch, in denen wir den Einfluss der medikamentosen Thrombozytenaggregationshemmung mittels Tirofiban auf die raumliche Ausbreitung der traumatisch hervorgerufenen zerebralen Kontusion, den intrakraniellen Druck und den zerebralen Wassergehalt, ein Mas fur das Hirnodem, untersuchten. Dabei konnten wir beobachten, dass in Venen die Thrombozyten-Endothel-Interaktion infolge eines Controlled Cortical Impact-Traumas uberwiegend eine Tendenz zur Zunahme zeigte, die jedoch grostenteils nicht statistisch signifikant war. Lediglich fur Rhodamin-gefarbte, rollende Thrombozyten ergab sich ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Zeitpunkten. Unter Tirofiban fand sich in der Fruhphase nach Trauma eine im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant grosere Anzahl CFDA-markierter, rollender Thrombozyten, die jedoch im Zeitverlauf abnahm. Die Aggregatlast, also die Summe der in einem Gefas vorgefundenen Aggregatgrosen nahm nach dem Trauma zu und lies sich, ebenso wie die Anzahl adharierender Aggregate durch Tirofiban teilweise signifikant reduzieren. In Arterien fanden sich keine nennenswerten Befunde zur Thrombozyten-Endothel-Interaktion oder zur Dynamik der Aggregatbildung. Ein moglicher Zusammenhang zwischen Mikrothromben und einer Verminderung der zerebralen Durchblutung konnte in der vorliegenden Arbeit nicht nachgewiesen werden, denn es waren insgesamt kaum nennenswerte Beeintrachtigungen der Durchblutung in den beobachteten Gefasen zu registrieren. In den Blutgasanalysen am Versuchsende zeigten sich Hinweise auf eine metabolische Azidose. Der mittlere arterielle Blutdruck war wahrend des posttraumatischen Beobachtungszeitraums erhoht, mit einem transienten Hohepunkt wahrend der Initialphase nach dem Trauma. Die Durchmesser der beobachteten Blutgefase zeigten infolge des Traumas eine Vasodilatation, in den Arteriolen mit einer leichten zeitlichen Verzogerung. Der posttraumatische intrakranielle Druck war unter Tirofiban teilweise etwas niedriger. Das sekundare Wachstum der durch das Trauma hervorgerufenen Kontusionsnekrose war durch Tirofiban nicht signifikant beeinflussbar, wenn auch die Infusion unmittelbar nach Trauma zu einem etwas niedrigeren Wert fuhrte. Der posttraumatische zerebrale Wassergehalt war unter Tirofiban teilweise signifikant erhoht. Bei der Anwendung gerinnungshemmender Medikamente ist prinzipiell die Gefahr intrakranieller Blutungen in Betracht zu ziehen, insbesondere im Rahmen eines Schadel-Hirn-Traumas. Wir haben in unseren Experimenten kein gesondertes Augenmerk auf Haufigkeit oder Ausmas moglicherweise auftretender intrakranieller Blutungen gerichtet, so dass hierzu an dieser Stelle keine Aussage moglich ist. Tirofiban diente uns in erster Linie als experimentelles Werkzeug, mit dem bestimmte Aspekte der Pathophysiologie eines Schadel-Hirn-Traumas beleuchtet werden sollten, anstatt es als therapeutische Option in Erwagung zu ziehen.
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